hier ein beispiel, birgit. dafür habe ich in meinem damaligen literaturforum u. a. kommentare geerntet, wie diese:
Es gibt drei goldene Regeln, eine gute Novelle zu schreiben.
Leider sind sie dir unbekannt.
oder
Ich hab noch nie ein
Buch vom Gaby-Hauptlind-Bösemädchen-Superfrau-Genre, auch bekannt als
Beim-nächsten Mann-wird-alles-Prinzenschokolade-Typus, gelesen und werde diesem
Versäumnis wohl auch nicht so bald abhelfen, aber: Ziemlich so wie die
überdrehte Stereotypie dieses Textes, mit hysterisiertem Zwiebelhacken,
schwurreichem Heulen, Magerquark-und-Knäcke-Askese, das Ganze routiniert und
überraschungsfrei zusammengeschraubt, stelle ich mir jene Erzeugnisse vor.
Liebe e., das ist in seiner Art wirklich nicht schlecht
gemacht. Aber gehört dieser Käptn Adam nicht eher in ein RTL-runderneuertes
Ohnsorg-Theater?
Gruselgruß,
findest du deinen stil wieder, birgit?
haus mir um die ohren
Eva von Eden Horst! Sabine schnitt die Salatzwiebel in der Mitte durch.
Das Schwein! Sie zerteilte die Hälften in Viertel und die Viertel noch mal in
Hälften. Tränen tropften auf ihre Hand, die den schwarzen Griff des
Gemüsemessers so fest umklammerte, dass die Knöchel wie kleine schneebedeckte
Hügel unter der Haut lagen. Sie warf das Messer in die Spüle, dass es
schepperte und nahm das Hackebeil aus dem Holzblock, der zwischen dem
Plexiglaszylinder mit den Spaghetti und der Kaffeemaschine auf der graumelierten
Arbeitsfläche stand. Sie legte die Zwiebelstücke sorgfältig nebeneinander auf
das Kunststoffbrett und hieb auf sie ein, dass Sabines gesamter Körper
durchrüttelt wurde. Der Teufel soll dich holen! In Sabines Kopf wütete ein
Presslufthammer. Sie berührte mit den Fingerspitzen ihre Schläfen und spürte
die Schläge, mit denen ihr Herz das Blut durch die Adern trieb. In ihren Ohren
rauschte es. Sie sah aus dem Fenster hinüber zu Blohm + Voss und atmete tief
ein und langsam aus. Im Trockendock Elbe 17 ruhte Queen Elisabeth II. unter
gleißendem Scheinwerferlicht. Sabine seufzte. Ohne den Blick abzuwenden öffnete
sie den Kühlschrank und tastete nach einem Joghurt, riss den Aludeckel ab und
leckte ihn bis er blank war. Wo die Pfirsich-Maracujas wachsen, gäbe es keine
Tage, von denen ich sagte, sie gefielen mir nicht. Sabine schaufelte die weiße
Masse mit einem Esslöffel in sich hinein. Mindestens fünfzigtausend
Bruttoregistertonnen und kein Gramm weniger! Sabine presste den Plastikbecher
in den Mülleimer unter der Spüle, dass es knirschte. Die Haut am Daumen riss an
einer scharfen Kante auf. Es blutete. Pflaumenkuchen! Sabine drückte den Hebel des
Wasserhahns nach oben und wusch sich die Hände unter dem Strahl, dass es von
den Kacheln tropfte, Lügenwichser!, dass es ihr ins Gesicht spritzte, dass es
ihr heiß den Rücken hinunter lief, Liebster!, dass es in ihren Eingeweiden
schäumte, Horst!, und sie sich übergeben musste.
Nimm 2
Lieber Gott, nimm 2, die du füreinander geschaffen hast, und
die Welt wird nicht mehr sein, wie sie einmal war!
Nimm Horst. Was für ein Bass! Unter Eva schien die Erde zu
beben. Sie verweilte vor den bunten Tafeln Nussnougatschokolade und horchte.
„Mein lieber Scholli! Ischa gediegen!“
Die Herkunft war nicht zu leugnen. Der kam von dort, wo die
Träume auf der Strasse kalte Füße kriegen. Eva fuhr mit ihrem Einkaufswagen, in
dem vierzehn Packungen Vollkornknäckebrot, ein winziger Splitter Parmesankäse,
sechs Magermilchjoghurts Pfirsich-Maracuja, eine kleine Dose Tomatenmark, 10
rote Paprika und eine Salatzwiebel aufeinander lagen, den Gang zwischen den
Süßigkeiten, links Kekse, rechts Gummibärchen, weiße Mäuse, Hamburger Speck,
bis zum Ende entlang, und blieb eisern. Sie bog um die Ecke, links Wein, rechts
Schnäpse. Wie Gott in Frankreich! Vor den Preisknüllern stand - ein Mann! Mach
den Mund zu, sonst kommen Fliegen rein!, befahl Eva und klappte den Kiefer
hoch, dass es knirschte. Groß! Bauch! Stark! Jeans. Ärmelloses T-Shirt.
Pferdeschwanz. Auf seinem sonnengebräunten Bizeps war eine barbusige Nixe
tätowiert. Er drehte eine grüne Flasche auf seinem Unterarm und las den Text
auf dem Etikett laut vor. Eva schwindelte, dann schwankte sie, dann sah alles
aus wie unter Wasser, dann suchte sie Halt an einer bauchigen Flasche, die im
dritten Regalfach verschwamm und die sie, während des freien Falls, mit sich in
die Tiefe riss.
„Hallo, seute Deern von Eden, ich bin Horst“, sagte Horst.
Eva spürte seinen warmen Atem, der am Ohr kitzelte. Sie
öffnete die Augen und schloss sie sogleich wieder. Sie stöhnte und regte sich
nicht. Darf ein Mann so lange Wimpern haben? Sie spürte, wie Horst ihre Nase
zukniff und seine Lippen auf ihre presste. Ein kräftiger Luftstrom zog hinab in
ihre Bronchien. Eva hustete. Jemand streichelte ihre Wange, dass sie glaubte,
gleich weinen zu müssen.
„Wo bin ich?“, flüsterte Eva und richtete sich auf.
Horst kniete neben ihr. Es roch nach Apfelshampoo. Seine
lockigen Haare waren dunkelbraun versilbert. Horst reichte Eva die Hand. Sie
war warm und die Haut fühlte sich wundersam weich an. Horst wiegte Eva in
seinen Armen, hob sie hoch, schmiegte sie gegen seinen weichen Bauch und trug
sie an der Schlange vorbei zur Kassiererin. Dort setzte er sie mitten auf die
Waage der Scannerkasse.
„Heureka!, ich zahle bar“, sagte Horst und „Nu, man ganz
suhtje“, zu einem Plattfußmatrosen, dem Anführer der Meuterei hinter ihnen.
Eva lächelte.
Darf ein Mann so zarte Hände haben? Nimm mich!, dachte Eva.
Sabine schob sich das letzte Stückchen Schokolade Nussnougat
in den Mund und schaltete den Computer aus. Sie rieb sich die Augen und gähnte
und legte ihre Hände in den Schoß. Nimm mich! Auf dem Schreibtisch im roten
Plastikfach mit der Aufschrift –erledigt- lag Horst. Blödsinn, lag die
Postkarte von Horst. Sabine hatte sie vor und zurück und kreuz und quer
gelesen. Hätte sie ihn doch lieber anrufen sollen? Nein!, sie hätte sich
niemals getraut, ihn einfach zu fragen. Sabine nahm die Karte und betrachtete
die Gänseblümchen im schlichten Tontopf auf der Gartenmauer. Was wollte Horst
ihr sagen? Dass sie eine blöde Gans war? Mauerblümchen? Extraordinär dämlich?
Hallo Sabine,
gerne nehme ich deine Einladung an, mit dir Essen zu gehen.
Leider kann ich nächsten Donnerstag nicht, da ich mindestens bis zum Wochenende
auf Elisabeth zu Gange bin.
Horst
Ps.
Besinnungslose Weiber, find ich rattenscharf!
Heute war der 16. Morgen nach Horst. Ruhelose Tage,
schlaflose Nächte. Ständig hatte Sabine kontrolliert, ob das Telefon überhaupt
ein Freizeichen von sich gab. Tat es. Sie hatte massenweise Knäckebrot und rote
Paprikastückchen verspeist, und endlich ihren Papierkram erledigt. Die vom
Arbeitsamt hatten sie nicht mehr alle! Verdammt!, sie war
Starkstromelektrikerin und keine Stripperin.
Und keiner da zum Reden. Viel schreiben, hilft viel. Nicht ein einziges
mal hatte sie sich getraut, wenigstens ganz kurz, mit Anna-Lena zu
telefonieren. Es wäre immerhin möglich gewesen, dass just in dem Moment Horst
versucht hätte, sie zu erreichen. Wäre Sabine Horst, hätte sie sofort angerufen
und nachgefragt, ob sie auch Samstag Hunger hätte. Sie wüsste keinen Grund
unter der Sonne, es nicht zu tun. Doch Sabine war nicht Horst und so schienen
die Zeiger der Uhr über der Küchentür, das Zeitliche gesegnet zu haben. Noch
nie hatte Sabine unaufgefordert einem Mann ihre Telefonnummer gegeben. Was
heißt gegeben? Aufgedrängt! Einem Fremden. Dass sie ihn auf einen Kaffee
eingeladen hatte, war bereits hart an der Schmerzgrenze gewesen. Am Ende
glaubte er noch, sie hätte es nötig. Hatte sie? Peinlich! Sabine spürte das
Glühen auf den Wangen. Sie öffnete die Balkontür und trat ins Freie. Es regnete
Bindfäden. Die beiden Raddampfer waren zur großen Hafenrundfahrt unterwegs
Richtung St. Pauli Fischmarkt. Die Queen war immer noch da. Horst! Horst konnte
so wunderbar erzählen. Die Hauptgefahr eines Druckbehälters wäre der Zerknall.
Oh! Nicht alle erkennbaren Gefahren würden vorausgesehen und manche wiederum
wären nicht vorhersehbar. Sabine verschränkte die Arme vor der Brust. War Horst
gefährlich? Drrruckbehältärrr! Horst rollte so süß über das R. Hatte er
wirklich einen Termin mit der Queen gehabt, oder war das die pure
Selbstverteidigung gewesen, weil er keinen Bock mehr hatte auf Sabine, die sich
selber nur in Oh-Tönen heulen hörte.
„Möchtest du noch einen Milchkaffee?“
„Oh! Nein danke“.
„Hast du vielleicht einen zu niedrigen Blutdruck?“
„Oh! - n-nein, nicht das ich wüsste“.
„Hier ist meine Karte. Die Queen ruft. Tschüß!“
„Oh!“
Blohm + Voss
Dr. Horst Nicolaus
Dipl. Sicherheitsingenieur
„Oh mein Gott!“
Sabine griff in die Tasche der Strickjacke und drückte das
kleine Stück Papier in der Faust.
„Solche arroganten Typen wie der kriegen die Zähne nicht
auseinander, am Telefon schon gar nicht. Bloß nichts investieren!“, sagte
Anna-Lena.
Anna-Lena rührte den Kaffee in dem blauen Becher mit den
weißen Herzchen kräftig um, dass es über den Rand schwappte. Sabine räusperte
sich und wollte erwidern, dass Horst alles andere als arrogant war und ganz
sicher nicht zu solchen Typen gehörte, dass Horst überhaupt kein Typ war und
Anna-Lenas sowieso nicht. Auf Stahl wachsen keine Haare, Kleines! Nein, sie
würde es nicht dulden, dass Anna-Lena so abfällig von Horst sprach. Sabine
schwieg. Sie nahm den Topf mit den Spaghetti von der Herdplatte und goss das
Wasser ab, die Nase volle Fahrt im Dampf voraus.
„Scheiß heiß!“
Sie ließ den Topf los, dass er in der Spüle landete und
schüttelte ihre Hände, dass es in den Gelenken knackte.
„Was für Schuhe hat Horst eigentlich angehabt? Solche
Slippers mit Fransen und Bommeln? Und weiße Socken?“, fragte Anna-Lena und zog
eine Augenbraue hoch.
Sabine zuckte die Achseln.
„Ach hör doch auf, mit deinem blöden Schubladentick zu
nerven“.
Sabine gab eine Stückchen Butter auf die Spaghetti und
füllte die blauen Teller mit den weißen Herzchenrändern. Sie hob den Deckel von
dem kleinen Edelstahltopf, in dem die Tomatensoße blubberte, und ließ ihn zu
Boden poltern.
„Verquirlte Pflaumenkuchen!“
Sabine griff nach einem der Teller und schleuderte ihn gegen
die hellblauen Kacheln mit den dunkelblauen Herzen. Der Teller zerbrach in der
Mitte und zersplitterte auf dem Linoleum. Die Spaghetti klebten an der Wand.
Anna-Lena sprang auf und drückte Sabine fest an sich.
„Bine, Bine“, flüsterte Anna-Lena. „Bine, Bine. Ich wusste
doch nicht!“
Langsam rutschten die Nudeln zu Boden und hinterließen einen
glänzenden Fettstreifen.
„Ich bin nicht mehr zu retten“, sagte Sabine nach einer
langen Weile und löste sich aus der Umarmung.
Lieber Gott. Nimm Eva und die neuen Wilden sind alte
Kamellen. Horst! Kugelbauchkapitän. Schreibblockadenbrecher. Der Literatur
Nobel ehrt sich mit Eva anno 2020. Ein Jahr nach Horst steht Evas Kontonummer
im Saldofeld ihres Bankauszuges, besitzt sie eine gusseiserne Badewanne mit
schmutzabweisenden Innenwänden und Schnörkelfüßen, hat sie wenigstens 30 kg Fett
verbrannt und einen rosigen Gesichtsteint wie zuletzt vor 2000 Jahren. Sie wird
nie mehr in diesem Leben einer ehrlichen Arbeit nachgehen müssen. Eva lebt. Wer
sind Brian Adams, Kofi Anan oder Günter Netzer? Hat sie noch Wünsche? Lieber
Horst, willst du mein Luxusliner sein im türkisen Meer vor Pfirsich-Maracuja?
Deine Schiffssirene, Eva.
Anna-Lena klickte auf Datei schließen und schüttelte den
Kopf.
„Und die willst du Horst schicken?“, sagte sie.
Sabine löffelte, die Lider geschlossenen.
„Hab ich schon“.
Anna-Lena zog die Augenbraue hoch. Sie fuhr sich mit der
Zunge über die Lippen.
„Hast du noch so einen Joghurt für mich?“, sagte sie.
Sabine nickte in Richtung Kühlschrank. Der Becher rutschte
ihr aus der Hand.
„Die Queen ist weg!“, sagte Sabine.
Ihre Stimme war rau und der Ton vibrierte. Anna-Lena
murmelte ein gedehntes Ohm! und wirbelte um ihre Achse.
„Hex! Hex! Hex!“, sagte sie laut.
Das Telefon schnarrte. Sabine zuckte zusammen. Anna-Lena
riss die Arme hoch.
„Funktioniert!“, sagte Anna-Lena und nahm ab und hielt den
Hörer an Sabines Ohr.
„Ja? Sabine!“
Und nach einer kleinen Ewigkeit:
„Oh!“